Emergency in Afghanistan

Mehr als 8’585’000 Menschen hat Emergency seit 1999 in Afghanistan kostenlos behandelt.

40 Jahre Krieg in Afghanistan 

Eineinhalb Millionen Tote, Hunderttausende Verwundete und Verstümmelte und mehr als vier Millionen Flüchtlinge – das sind die Folgen von 40 Jahren Krieg in Afghanistan.

Mit Kriegsende im August 2021 sind aber die Probleme Afghanistans nicht gelöst. Heute steckt das Land in einer beispiellosen Wirtschaftskrise, in der mehr als 23 Millionen Menschen hungern. Der jahrzehntelange Konflikt hat die Zukunftsperspektiven des Landes geschmälert, zusätzlich verschlechtern eine aussergewöhnliche Dürre, die Abwertung der Landeswährung, die Inflation mit einem Anstieg der Getreide- und Treibstoffpreise um rund 50 Prozent sowie die Schliessung der Banken und die daraus resultierende Finanzkrise die schon vorher instabile Situation.

Vor Ort gibt es immer noch die Hinterlassenschaften früherer Kriege: Landminen und nicht explodierte Sprengkörper verstümmeln weiterhin Kinder und Erwachsene, insbesondere Zivilisten.

August 2023, zwei Jahre nach der Einnahme von Kabul

In den beiden letzten Jahren waren wir in Afghanistan präsent und konnten die laufende Verschlechterung der Lebensbedingungen beobachten.

Die zunehmend verarmte Bevölkerung hat keinen Zugang zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen, einschliesslich der Gesundheitsversorgung. Heute erreichen viele Afghan*innen unsere wie immer kostenlosen Zentren und Spitäler, die ihre medizinische Versorgung anderswo nicht bezahlen könnten.

Weniger Kriegsopfer, jedoch mehr Menschen ohne Mittel für eine Behandlung

Am 15. August 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Emergency setzte in drei Krankenhäusern, einem Entbindungszentrum und 42 Erste-Hilfe-Stationen und Gesundheitszentren seine Unterstützung fort.

Mit Sorge zu beobachten waren in diesen zwei Jahren die Wirtschaftskrise, die zunehmende Armut und der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen.

Hören Sie dazu die Einschätzung von Stefano Sozza, Emergency Landesmanager in Afghanistan:

In diesen beiden Jahren seit der Einsetzung der Taliban-Regierung hat Emergency in den Krankenhäusern von Kabul, Lashkar-gah und Anabah 249’722 Konsultationen und mehr als 41’000 Einweisungen kostenlos angeboten; mehr als 700’000 Konsultationen wurden in den 42 Erste-Hilfe-Stationen und primären Gesundheitszentren durchgeführt.

Wir konnten beobachten, dass die Zahl der Kriegsopfer zurückgeht. Aber die Zahl der Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen keine Behandlung erhalten können, steigt

Die Bevölkerung hat keinen Zugang mehr zu den wichtigsten Gütern und Dienstleistungen, darunter auch die Gesundheitsversorgung. Wir erleben dies direkt in unseren Zentren, wo wir im Vergleich zu 2022 eine Veränderung bei der Art der Patienten feststellen konnten, die zu uns kommen. Es gibt weniger «Kriegsopfer», aber viele Afghanen, die ihr Leben riskieren würden, wenn sie nicht zu uns kämen und kostenlose Behandlung und Medikamente erhielten.

Stefano Sozza, Landesdirektor von Emergency in Afghanistan

Fast 29 Millionen Menschen im Lande benötigen humanitäre Hilfe

Anfang 2023 schätzte das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten, dass 28,3 Millionen Afghan*innen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Inzwischen ist diese Zahl auf fast 29 Millionen angestiegen. Mehr als drei Viertel davon sind Frauen und Kinder.

Im März 2023 veröffentlichte Emergency zusammen mit CRIMEDIM den Bericht «Access to care in Afghanistan: the voice of Afghans in 10 provinces», eine Momentaufnahme der Gesundheitssituation im Land nach dem Regierungswechsel im August 2021.

Die Untersuchung wurde in zwanzig unserer Einrichtungen in zehn Provinzen durchgeführt. Über 1'800 Personen füllten die Fragebögen aus, darunter Patient*innen und medizinisches Personal von Emergency und von öffentlichen Krankenhäusern.

Daten aus der Untersuchung

  • 1 von 2 Afghan:innen können nicht die Medikamente kaufen, die sie für ihre Behandlung benötigen
  • 1 von 5 hat eine Verwandte oder einen Freund verloren, der keinen Zugang zu der benötigten Behandlung hatte
  • 5 von 10 mussten bei Lebensmitteln und Kleidung sparen, um medizinische Versorgung zu bezahlen
  • 9 von 10 haben sich Geld geliehen
  • es gibt keine Krankenwagen für Notfälle
  • die Einrichtungen sind unzureichend, es fehlt an Fachpersonal, Maschinen, Strom und Wasser, insbesondere in ländlichen Gebieten
  • das Gesundheitssystem ist nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, da strukturell mehr Mittel benötigt werden, als zur Verfügung stehen
Wenn Sie möchten, können Sie uns mit einer Online-Spende unterstützen. Wir werden sie verwenden, um das Recht auf Versorgung unserer Patienten auch im Sudan zu gewährleisten.

Frauen sind am meisten gefährdet, darunter besonders die Schwangeren: Gründe sind das Fehlen sicherer und effizienter Transportmittel, das Fehlen von Kliniken, die werdenden Müttern in ländlichen Gebieten Geburtshilfe anbieten und der Rückgang der Kaufkraft. So wird der Zugang zu rechtzeitiger und wirksamer Betreuung für afghanische Frauen noch prekärer.

Rechte der Frauen

Ankündigungen der Regierung im Bereich der Frauenrechte sorgen für grosse Aufmerksamkeit und Besorgnis. So kündigte der afghanische Minister für Hochschulbildung im Dezember 2022 ein Verbot für Frauen an, eine Universität zu besuchen, während das Wirtschaftsministerium gleichzeitig ein Verbot für afghanische Frauen ankündigte, für nationale oder internationale Nichtregierungsorganisationen zu arbeiten.

In einem Land, das bereits von einer schweren wirtschaftlichen und humanitären Krise zerrissen ist, bedeutet die Verhinderung von Bildung für Mädchen, dass Afghanistan künftige Ressourcen vorenthalten werden, die die Wirtschaft, die öffentliche Gesundheit und die Stabilität stärken könnten. In ähnlicher Weise verringert das Verbot der Beschäftigung in NGO die Möglichkeit, gefährdete Bevölkerungsgruppen zu erreichen und ihre Bedürfnisse und Rechte anzuerkennen. Das Gesundheitspersonal fällt nicht unter das Gesetz, und unsere weiblichen Kollegen arbeiten weiterhin mit uns zusammen. Dennoch halten wir es für wichtig, dass die Behörden diese Entscheidungen überdenken, damit die Frauen weiterhin zur Entwicklung ihres Landes beitragen können.

Stefano Sozza, Landesdirektor von Emergency in Afghanistan

Emergency beschäftigt 377 afghanische Frauen. Besonders das Entbindungs- und Neonatologiezentrum in Anabah im Pansjhir-Tal wird vollständig von Frauen geleitet: 187 Hebammen, Gynäkologen, Kinderärztinnen, Krankenschwestern und nichtmedizinisches Personal.

Emergency arbeitet ununterbrochen mit Spezialisierungskursen in seinen Einrichtungen an der Ausbildung von lokalem Personal. Derzeit gibt es Residenzprogramme in den Bereichen Chirurgie, Anästhesie und Wiederbelebung, Gynäkologie und Pädiatrie – so können laufend neue Spezialist*innen ausgebildet werden.