Gino Strada, Gründer von Emergency

Am Freitag, 13. August 2021 hat uns völlig unerwartet eine traurige Nachricht erreicht: Dr. Gino Strada – Chirurg, Gründer und langjähriger Geschäftsführer von Emergency, und vor allem charismatischer Denker – ist verstorben.

«Die Patienten stehen immer an erster Stelle» 
Gerechtigkeitssinn, Klarheit, Strenge, Weitblick: das war Gino Strada. Als Humanist hat er aktiv die Kultur des Friedens, der Gleichbehandlung aller Menschen und die Ächtung von Krieg geprägt. Sein Vermächtnis sind die humanitäre Organisation Emergency und ihre Projekte – und die über 11 Millionen Menschen, die seit 1994 kostenlos und medizinisch hochstehend behandelt wurden.

Gino Strada besuchte wiederholt die Schweiz und die 2012 gegründete Emergency Switzerland Foundation. 2015 wurde er an der Universität Zürich anlässlich der Verleihung des Right Livelihood Awards (auch bekannt als Alternativer Nobelpreis) geehrt. Es war ihm ein grosses Anliegen, seine Vision und die Emergency Projekte in der Schweiz bekannt zu machen.

Gino Strada wurde am 21. April 1948 in Sesto San Giovanni (Provinz Mailand) geboren.
 
Er schloss sein Medizin- und Chirurgiestudium an der Staatlichen Universität Mailand ab und spezialisierte sich anschliessend auf Notfallchirurgie.

Um seine Ausbildung zum Chirurgen zu vervollständigen, verbrachte er in den 1980er Jahren vier Jahre in den Vereinigten Staaten, wo er an den Universitäten Stanford und Pittsburgh an Herz- und Herz-Lungen-Transplantationen arbeitete. Danach zog er nach England und Südafrika, wo er am Harefield Hospital und am Groote Schuur Hospital in Kapstadt weiter ausgebildet wurde.

1988 beschloss er, seine Erfahrungen in der notfallmässigen chirurgischen Versorgung von Kriegsverletzten anzuwenden. Deshalb arbeitete er bis 1994 für das Internationale Rote Kreuz in Pakistan, Äthiopien, Thailand, Afghanistan, Peru, Dschibuti, Somalia und Bosnien.

«Was wir für sie, für uns und für andere tun, was wir bewirken können, ist vielleicht weniger als ein Tröpfchen im Ozean. Aber ich bin immer noch der Meinung, dass es besser ist, dass er da ist, dieser Tropfen, denn wenn er nicht da wäre, wäre das für alle schlecht. Das ist alles. Der Beruf des Kriegschirurgen ist sehr anstrengend. Aber auch eine große Ehre für mich».

— Brief eines Kriegschirurgen, aus Green Parrots von Gino Strada.

Emergency entsteht

Die im Laufe der Jahre beim Roten Kreuz gesammelten Erfahrungen veranlassten Gino Strada 1994, zusammen mit seiner Frau Teresa Sarti und einigen Gleichgesinnten die Organisation Emergency zu gründen. Diese soll als unabhängiger und neutraler Verein Opfern von Kriegen, Landminen und Armut eine kostenlose und qualitativ hochwertige medizinisch-chirurgische Behandlung bieten.

Zum ersten Mal wurde Emergency während des Genozids in Ruanda aktiv. Gino Strada wirkte an vorderster Front mit. Danach folgte ein Einsatz in Kambodscha, wo er einige Jahre blieb.

1998 folgte Afghanistan: Im Norden des Landes eröffnete er im folgenden Jahr das erste Projekt im Land, das chirurgisches Zentrum für Kriegsopfer in Anabah im Panshir-Tal.
Gino Strada blieb rund sieben Jahre in Afghanistan, behandelte Tausende von Kriegs- und Landminenopfern und trug zur Eröffnung weiterer Projekte im Land bei.
Heute ist Emergency in Afghanistan mit drei Krankenhäusern, einem Entbindungszentrum und einem Netz von 44 Erste-Hilfe-Posten vertreten.

Im Jahr 2005 begann Emergency mit der Eröffnung des Salam-Zentrums für Herzchirurgie im Sudan, dem ersten völlig kostenlosen Zentrum für Herzchirurgie in Afrika. 2014 setzte sich Gino Strada wegen der Ebola Epidemie in Sierra Leone ein, wo Emergency seit 2001 präsent ist.

Emergency hat über 11 Millionen Menschen behandelt. Die Aktivitäten, die Verwendung der Mittel und die Aufschlüsselung der Ausgaben für die Projekte sind jeweils in den Jahresberichten und im Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht.

Auszeichnungen und Anerkennungen

Gino Strada hat im Laufe der Jahre mehrere Auszeichnungen für seine Arbeit und seine moralische und humanitäre Haltung erhalten.

2017
Sunhak-Friedenspreis, Südkorea.

2015
Right Livelihood Award (auch bekannt als Alternativer Nobelpreis)

2006
Doktortitel in Humanwissenschaften am Colorado College in Colorado Springs, Colorado, USA.

2003
Antonio-Feltrinelli-Preis der Accademia Nazionale dei Lincei.

Gino ist an einem Herzversagen gestorben. Wir sind traurig. In seinen Projekten wird er weiter leben. Wir werden seine Vision weiter tragen und unterstützen.